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Überwiegend heiter bis wolkig


16
Oktober
Sucht entsteht immer aus dem Gefühl des Ungenügens.
Dieser Satz stammt aus dem Buch "Computersüchtig - Kinder im Sog der modernen Medien" von Wolgang Bergmann und Gerald Hüther.

Nach und nach lese ich mich durch die Werke Gerald Hüthers und finde mich wieder. Viele meiner Erfahrungen.

Er beschreibt sehr schön, dass Menschen vor der Geburt zwei existenzielle Erfahrungen machen:

1. Die Verbundenheit mit (einem) anderen Menschen. Beziehung, Freunde, Familie, etc.

2. Zu wachsen und dabei die Welt selbst mit zu gestallten. Also Autonomie - nicht zu verwechseln mit Unabhängigkeit von anderen Menschen.

Doch später kann es geschehen, dass wir nur dann nicht aus der Verbundenheit mit anderen ausgestoßen werden, wenn wir deren Erwartungen erfüllen bzw. erfühlen - oft werden diese ja nicht einmal ausgesprochen.

Diese Erwartungen zielen oft auf die Aufgabe der Autonomie und gleichzeitiger Erwartung der Unabhängigkeit von anderen Menschen. So sagt das nur keiner, denn diese Unsinnigkeit - ja Unmöglichkeit - wäre offensichtlich für das Herz und den Verstand.

Ich habe an anderer Stelle geschrieben, dass ich mich mit meinem Mann nie um Geld gestritten habe. Das ist richtig. Wohl aber um das sog. Gefühl des Ungenügens bzw. deren Wirkungen.

Mein Mann möchte mir alles Recht machen. Mir alle Wünsche von den Augen ablesen - oft genug gelingt ihm das sogar. Möchte meine Gefühle regulieren in der Hinsicht, dass ich nicht leide. Also alle Gefühle nicht habe, die etwas mit Traurigkeit, Angst, Ärger, Verwirrung oder Hilflosigkeit zu tun haben. Ich soll gefälligst glücklich sein oder zumindest nicht leiden.

Spätestens jetzt sollte ich klar stellen, dass er sehr wohl (mit dem Verstand) weiß, dass das nicht möglich ist. Dass all diese Versuche zum Scheitern verurteilt sind. Dennoch versucht er es. Weil er so erzogen wurde. Wie wir alle - irgendwie.

Sei x - dann bekommst Du, wenn Du Glück hast und/oder gut genug bist y. X steht häufig für die Aufgabe der eigenen Entdeckungslust und Gestaltungsfreude zugunsten von einem Schein-y welches für Verbundenheit steht, die aber oft gar nicht gelebt werden kann, weil die Autonomie aufgegeben wurde.

Niemand bringt mir Weg bei wie ich mit Leid (also mit Traurigkeit, Angst, Ärger, Verwirrung oder Hilflosigkeit) umgehen kann. Findet ich sei in ORDNUNG bin, wenn ich so empfinde und dass mein Gegenüber es aushält an sein eigenes Leid erinnert zu werden.

Zeige ich Leid wird mir die Verbundenheit entzogen. Weil ich dann z.B. für "schwach/unwert/kindisch/aufdringlich/aufmerksamkeitsheischend/nervig/störend/etc" gehalten werde - also für irgendwie nicht in Ordnung.

Man könnte perfekt sein - doch selbst dann wäre man es nicht in ihren Augen. Sie selbst könnten perfekt sein - sie würden es ebenso nicht einmal bemerken. So ausgeprägt ist der Glaube "nichts wert/ungenügend" zu sein

Das einzige Mittel, welches ich kenne ist: Die eigenen Beschränkungen & Grenzen schätzen lernen, sich trauen an das eigene Leid erinnert zu werden (das tut manchmal höllisch weh), wenn man sich traut "ungenügend" zu sein

UND

mindestens einen Menschen, dem man selbst überwiegend genügt - so wie man eben jeweils ist.

Keine Dauerharmonie. Einfach Menschsein. Keine Dauerbedürfniserfüllung - sondern einfaches, banales Leben. Anerkennung der Autonomie und Anerkennung des Bedürfnisses von Verbundenheit.

Und dann das Ganze immer wieder zu üben. Jeden Tag. Immer wieder. Das ganze Leben lang.

 
 
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Last update: 2012.11.30, 12:18
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